Anspruch des GmbH Gesellschafters auf Gewinnausschüttung und Entnahme (Gewinnansprüche und Gewinnverwendung)

Ein typisches Konfliktfeld in Gesellschaften sind die Entnahmerechte der Gesellschafter. Das resultiert aus den unterschiedlichen Interessen der Gesellschafter an der Verwendung der Gewinne. Den Interessen an einer Vermehrung des Gesellschaftsvermögens und der Liquidität durch Rücklagenbildung einerseits stehen etwaige Interessen an einer vollständigen Auszahlung oder Ausschüttung erwirtschafteter Gewinne gegenüber. 

BEISPIEL:

A und B sind gleichberechtigte Gesellschafter einer GmbH. Sie betreiben das Unternehmen schon seit 15 Jahren. In den letzten drei Jahren wurden die Gewinne thesauriert. Nunmehr ist B der Auffassung, dass Zeit für eine Ausschüttung der Gewinne sei. Gesellschafter A ist demgegenüber zurückhaltend. Er verweist auf die anstehenden Investitionen, die kurz- oder mittelfristig getätigt werden müssen. Er ist kein Freund von Fremdfinanzierung. B sieht das Erfordernis der Rücklagenbildung zumindest nicht in dem von A behaupteten Umfang. Im Übrigen ist er der Auffassung, dass Anschaffungen ggf. auch über Leasingverträge finanziert werden können. Er besteht auf Ausschüttung, zumal er für seine weitere Lebensführung bzw. für seinen etwas aufwendigeren Lebensstil mehr Kapital benötigt. Wegen der unterschiedlichen Auffassungen kommt es zum Streit.

Dieser Sachverhalt wirft für A und B mehrere Fragen auf:

1.
HAT DER GESELLSCHAFTER DER GMBH EINEN ANSPRUCH AUF GEWINNAUSSCHÜTTUNG UND ENTNAHME (GEWINNANSPRUCH)?

Zentrale gesetzliche Vorschrift ist § 29 GmbHG. § 29 GmbHG ermächtigt die Gesellschafter, mit einfacher Mehrheit zu beschließen, ob und inwieweit das Jahresergebnis nicht an die Gesellschafter ausgeschüttet, sondern in der Gesellschaft einbehalten werden soll. Die gesetzliche Regelung ist jedoch dispositiv, d. h. sie kann im Gesellschaftsvertrag abgeändert werden. 

Diese gesetzliche Regelung gilt nur für GmbHs, die nach dem 01.01.1986 im Handelsregister eingetragen worden sind. Für Gesellschaften, die vor dem 01.01.1986 im Handelsregister eingetragen wurden, gilt § 29 GmbHG a. F.. Die alte Fassung des § 29 GmbHG sah grundsätzliche eine Vollausschüttung vor. (Vollausschüttungsgebot). Danach hatte jeder Gesellschafter einen Anspruch auf Auszahlung des Jahresüberschusses bzw. des Bilanzgewinns.

Dieses Vollausschüttungsgebot erhielt durch die Neufassung des § 29 GmbHG eine Abänderung.

§ 29 Abs. 1 GmbHG jetziger Fassung gibt zwar jedem Gesellschafter einen „Anspruch“ auf seinen „Gewinnanteil“, ermächtigt jedoch zugleich die Gesellschafter (-versammlung), diesen Anspruch in seinem Umfang durch einfachen Gesellschafterbeschluss zu reduzieren bzw. ihn ganz und gar auszuschließen. § 29 GmbHG läuft damit auf ein allgemeines mitgliedschaftliches Gewinnbezugsrecht hinaus. Über das „Ob“ des Gewinnbezugsrechtes sowie über die „Höhe des Gewinnbezugsrechtes“ entscheiden die Gesellschafter mit einfacher Mehrheit.

2.
HAT DER GESELLSCHAFTER DER GMBH ANSPRUCH AUF (AUS)ZAHLUNG DES AUF IHN ENTFALLENEN GEWINNES?

Ein Zahlungsanspruch des Gesellschafters entsteht nicht ohne weiteres, sondern ist an Voraussetzungen gebunden. So setzt der Zahlungsanspruch eines Gesellschafters voraus:

  • die Aufstellung des Jahresabschlusses
  • den Ausweis eines Jahresergebnisses
  • die Feststellung dieses Jahresabschlusses sowie
  • regelmäßig einen Verwendungsbeschluss.

Ein Gewinnauszahlungsanspruch entsteht erst, wenn nach Feststellung des Jahresabschlusses ein Beschluss über die Ausschüttung des im Jahresabschluss ausgewiesenen Jahresüberschusses oder Bilanzgewinnes gefasst worden ist. Erst nach diesem Ergebnisverwendungsbeschluss ergibt sich ein unmittelbarer Auszahlungsanspruch des einzelnen Gesellschafters.

Die Feststellung des Jahresabschlusses sowie der Ergebnisverwendungsbeschluss sind zu unterscheiden.

Der Jahresabschluss ist von den Geschäftsführern aufzustellen. Dies erfolgt unter Verwendung des Zahlenwerks der Buchhaltung.

Der aufgestellte Jahresabschluss ist sodann von den Gesellschaftern durch Beschluss festzustellen. Das Feststellen des Jahresabschlusses bedeutet dessen Billigung bzw. Anerkennung seiner inhaltlichen Richtigkeit durch die Gesellschafter(versammlung). 

Aus dem aufgestellten Jahresabschluss ergibt sich das Jahresergebnis.

Erst nach Feststellung des Jahresabschlusses ist auf dessen Grundlage ein Beschluss über die Ausschüttung des im Jahresabschluss ausgewiesenen Jahresüberschusses oder Bilanzgewinnes zu fassen (Ergebnisverwendungsbeschluss).

Es handelt sich insoweit um zwei unterschiedliche Beschlüsse, die natürlich in einer Gesellschafterversammlung gemeinsam gefasst werden können. Erst mit diesem Ergebnisverwendungsbeschluss ergibt sich ein unmittelbarer (einklagbarer) Auszahlungsanspruch des einzelnen Gesellschafters gegenüber der GmbH.

Gegenstand eines Ergebnisverwendungsbeschlusses ist regelmäßig der im festgestellten Jahresabschluss ausgewiesene Jahresüberschuss zzgl. eines Gewinnvortrages und abzgl. eines Verlustvortrages der Gesellschaft.

Feststellungs- und Verwendungsbeschluss können formal zusammengefasst werden. Trotzdem liegen in einem Beschluss dann zwei Entscheidungen. Fehlt nur eine der vorgenannten Voraussetzungen, so ist der Verwendungsbeschluss unwirksam mit der Folge, dass Zahlungsansprüche noch nicht fällig sind. Erst mit dem Beschluss der Gesellschafter über die Verwendung entstehen Zahlungsansprüche der Gesellschaft.

3.
KANN ES ZU EINEM AUSHUNGERN VON GESELLSCHAFTERN KOMMEN?

Während die Altfassung des § 29 GmbHG noch ein Vollausschüttungsgebot vorsah, eine Thesaurierung der Gewinne also nur mit Einverständnis aller Gesellschafter möglich war, lässt die jetzige Fassung des § 29 Abs. 2 GmbHG ausdrücklich zu, dass der Jahresüberschuss ganz oder teilweise durch Mehrheitsbeschluss als Gewinn vorgetragen oder in Gewinnrücklagen eingestellt wird. Der einzelne Gesellschafter hat also nur dann den Anspruch auf seinen Anteil am positiven Jahresergebnis, wenn und soweit sich die Gesellschaftermehrheit für eine Ausschüttung entscheidet. Ein Aushungern von Mitgesellschaftern ist daher grundsätzlich möglich.

Soweit ein solcher Ergebnisverwendungsbeschluss nicht gefasst wird, kann ein unmittelbarer Zahlungsanspruch des Gesellschafters erst gar nicht entstehen. Es ist stets eine einfache Mehrheit für eine entsprechende Beschlussfassung erforderlich, so dass Minderheitsgesellschafter oder Minderheiten in der Gesellschaft immer von der Mehrheit abhängig sind.

Auch bei einer personalistischen GmbH mit zwei gleichberechtigten und gleichstarken Gesellschaftern bedarf der gleichstarke Gesellschafter (Beteiligung 50 %) der Mitwirkung des Mitgesellschafters, denn ohne den Mitgesellschafter ist eine Mehrheit nicht herbeizuführen. Theoretisch besteht daher die Möglichkeit des Aushungerns desjenigen, der vordringlich auf die Ausschüttung der Gewinne angewiesen ist. 

Ein solches Aushungern des anderen Gesellschafters kann nicht nur darin bestehen, dass die Mitwirkung bei der Beschlussfassung über die Ergebnisverwendung unterbleibt.

Das Aushungern kann bereits zu einem früheren Zeitpunkt einsetzen, z. B. indem die entsprechenden Vorarbeiten in der Buchhaltung unterbleiben. So kann der Jahresabschluss von den Gesellschaftern nicht „festgestellt“ werden, wenn er von der Geschäftsführung nicht vorbereitet und aufgestellt worden ist oder wenn Abstimmungsarbeiten, Buchhaltungsarbeiten verzögert werden.

Etwaigen Verzögerungsmaßnahmen stehen jedoch gesetzliche Regelungen entgegen. So sind Jahresabschlüsse in vorgegebenen zeitlichen Rahmen aufzustellen und festzustellen. Der Verwendungsbeschluss ist zwingend innerhalb von acht Monaten, bei kleineren Gesellschaften nach § 267 Abs. 1 HGB innerhalb von elf Monaten zu fassen (§ 240 a Abs. 2 GmbHG). Verzögerungen bei der Aufstellung können auch Ordnungswidrigkeiten darstellen und sind entsprechend strafbewehrt. 

4.
WIE KANN MAN SICH GEGEN EIN AUSHUNGERN WEHREN?

In der personalistischen GmbH ist die Frage besonders streitträchtig, in welchem Umfange Jahresüberschüsse an die Gesellschafter ausgeschüttet oder zur Stärkung des Eigenkapitals vorgetragen und/oder durch Rücklagenbildung thesauriert werden.

Hier können die Anschauungen und Interessen der Gesellschafter, aber auch die unterschiedliche Lebensführung stark divergieren und zu unterschiedlichen Interessenbildungen führen.

Problematisch wird die Situation dann, wenn Mehrheitsgesellschafter dauerhaft gegen Ausschüttungen und Gewinnthesaurierungen votieren.

Hier hat die Rechtsprechung Grenzen gesetzt und auf die gesellschaftsvertragliche Treuepflicht eines jeden Gesellschafters verwiesen. Jeder Gesellschafter hat gegen die Gesellschaft einen mitgliedschaftlich und gegen seine pflichtwidrig sich weigernden Mitgesellschafter eine in der Treuepflicht begründeten Anspruch darauf, dass ein Ergebnisverwendungsbeschluss gefasst wird. Der Anspruch auf Fassung des Verwendungsbeschlusses kann ggf. auch durch eine Leistungsklage geltend gemacht werden.

Der aktuelle Meinungsstand zum Umfang der Treuepflicht wird durch nachstehendes Urteil des OLG Nürnberg vom 09.07.2009 zutreffend wie folgt zusammengefasst:

Bei der Beschlussfassung über die Ergebnisverwendung sind die berechtigten Interessen der einzelnen Gesellschafter an einer hohen Gewinnausschüttung gegenüber dem Interesse anderer Gesellschafter an einer Rücklagenbildung und dem Bedürfnis der Selbstfinanzierung und Zukunftssicherung der Gesellschaft abzuwägen.
Für diese Abwägung ist der Kenntnisstand der Gesellschaft zum Zeitpunkt der Beschlussfassung maßgebend. Der Ergebnisverwendungsbeschluss ist bereits aus formalen Gründen rechtswidrig und nichtig, wenn im Zusammenhang mit der Beschlussfassung offensichtlich überhaupt keine entsprechende Interessenabwägung stattgefunden hat. Ergeben sich die entsprechenden Überlegungen bzw. die Interessenabwägungen der Gesellschaft nicht aus dem Protokoll der Gesellschafterversammlung, stellt dies ein Indiz dafür dar, dass die Interessenabwägung im Rahmen der Beschlussfassung unterblieben ist.

Aus dieser Rechtsprechung folgt, dass ein Ergebnisbeschluss, der eine übermäßige Thesaurierung vorsieht, wegen Verstoßes gegen die gesellschafterliche Treuepflicht anfechtbar unwirksam sein kann. Die Entscheidung für die Gewinnrücklage und den Gewinnvortrag ist dann treuwidrig, wenn hierdurch kein wesentlicher messbarer Vorteil für die Gesellschaft ersichtlich ist, d. h. die Thesaurierung also nicht erforderlich ist.

Hier sind im Einzelfall die Umstände abzuwägen.