In der Beratungspraxis tritt in regelmäßigen Abständen die Frage auf, ob der Geschäftsführer einer GmbH sozialversicherungspflichtig ist.
Die Folgen eines sorglosen Umgangs mit dieser Frage können dramatisch sein. Es droht die Nachzahlung sämtlicher Sozialversicherungsbeiträge.
Sozialversicherungspflichtig ist nach § 7 Abs. 1 SGB IV jeder, der abhängig beschäftigt ist.
Unstreitig ist der Geschäftsführer kein Arbeitnehmer. Er ist Organ der Gesellschaft. Probleme mit dem Geschäftsführer werden beim Landgericht verhandelt und nicht beim Arbeitsgericht. Unbestreitbar steht in zahlreichen Fällen die Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit eines Geschäftsführers derjenigen eines Arbeitnehmers in nichts nach. Wer ausschließlich Fremdgeschäftsführer ist, ist von den Weisungen der Gesellschafter abhängig. Das ergibt sich aus dem Gesetz, § 37 Abs. 1 GmbHG. Danach unterliegt der GmbH-Geschäftsführer den Weisungen der Gesellschafterversammlung. Es ist daher unstreitig, dass ein Fremdgeschäftsführer in der Regel ein abhängiger Beschäftigter i.S.d. § 7 Abs. 1 SGB IV und damit sozialversicherungspflichtig ist.
Hingegen war und ist der Gesellschafter-Geschäftsführer, der sämtliche Anteile an der GmbH oder zumindest mehr als die Hälfte der Geschäftsanteile hält, weisungsunabhängiger Unternehmer. Auch das ist unbestritten.
Zwischen den vorgenannten Beispielen gibt es immer wieder Fälle, die zur Diskussion Anlass geben. Zu denken ist an Geschäftsführer, die eine maßgebliche Beteiligung von 30 % oder 40 % halten oder an einer mehrgliedrigeren GmbH mit mehreren Gesellschaftern beteiligt sind.
Zu denken ist auch an die vielen Familiengesellschaften, in denen der Altgesellschafter Gesellschaftsanteile sukzessive auf seine Nachkommen überträgt und diese in die Verantwortung wachsen lässt. Hier ist vorstellbar, dass der Nachfolger bereits Geschäftsführer ist und auch einen wesentlichen Geschäftsanteil hält, der Altgesellschafter jedoch noch immer mehr als 50 % der Anteile auf sich vereint, weil er nicht loslassen kann oder loslassen will. In solchen Fällen wurde bisher darüber diskutiert, ob der Geschäftsführer, auch wenn er noch keine 51 % der Anteile hält, abhängiger Beschäftigter ist. Teilweise wurde darauf abgestellt, ob der Geschäftsführer als Minderheitsgesellschafter eine Sperrminorität hat oder ob er sich unternehmerisch betätigt, indem er beispielsweise persönliche Risiken durch Übernahme von Bürgschaften zugunsten der GmbH eingeht.
Folgendes Beispiel aus der Praxis mag die Situation verdeutlichen:
Mandant A ist an der GmbH mit 49 % beteiligt. Sein Vater, der Altgesellschafter, hält 51 % der Anteile, ist jedoch am aktiven Geschäft seit Jahren nicht beteiligt. Er lässt sich nur noch gelegentlich von seinem Sohn unterrichten.
Mandant A agiert weitestgehend selbständig, er nimmt Kredite für die Gesellschaft auf und verbürgt sich persönlich für diese. Nach dem Ableben seines Vaters wird der Altgesellschafter beerbt von dessen Ehefrau, die seitdem 51 % der Anteile hält. Die Ehefrau des Altgesellschafters mischt sich erst recht nicht in den Betrieb des Unternehmens ein. Ihr Beitrag zur GmbH beschränkt sich darauf, Gewinne des Unternehmens abzuschöpfen.
Mandant A trifft sämtliche Entscheidungen im Unternehmen alleine, fühlt sich auch als selbständiger Unternehmer, da er vollständig weisungsfrei agieren kann.
Hier stellt sich die Frage, ob Mandant A weisungsabhängiger Beschäftigter i.S.d. § 7 Abs. 1 SGB IV oder ob er selbständiger Unternehmer und damit sozialversicherungsfrei ist.
Konnte man nach der früheren Rechtsprechung noch argumentieren und die besondere Position des Geschäftsführers im Unternehmen hervorheben, so hat die Rechtsprechung das Merkmal der abhängigen Beschäftigung i.S.d. § 7 Abs. 1 SGB IV ganz erheblich eingeschränkt.
So soll es nicht mehr auf eine etwaige Sperrminorität des Geschäftsführers als Gesellschafter ankommen und auch nicht auf unternehmerische Tätigkeiten wie das Eingehen von Bürgschaften zugunsten der Gesellschaft. Nach der maßgeblichen Entscheidung des Bundessozialgerichtes vom 14.03.2018 wird ausschließlich auf die persönliche Abhängigkeit abgestellt. Die Stellung des GmbH-Geschäftsführers bestimmt sich nach den Regeln des GmbHG sowie nach den Regeln des Gesellschaftsvertrages und des Geschäftsführerdienstvertrages.
Nach § 37 Abs.1 GmbHG unterliegt der GmbH-Geschäftsführer den Weisungen der Gesellschafterversammlung. Soweit die Möglichkeit zu solchen Weisungen besteht, liegt eine sozialversicherungspflichtige Tätigkeit vor.
Sogenannte weiche Faktoren wie beispielsweise ein Verwandtschaftsverhältnis und die Besonderheiten einer Familiengesellschaft finden keine Berücksichtigung mehr.
Vielmehr betont das Bundessozialgericht in seiner Entscheidung vom 14.03.2018, dass es für eine selbständige Tätigkeit gerade nicht ausreiche, wenn der Minderheitsgesellschafter als Geschäftsführer rein faktisch weisungsfrei agieren könne. Ausschlaggebend sei, ob diese Weisungsfreiheit rechtlich abgesichert sei, also ob sie von den Gesellschaftern eingeschränkt werden könne.
Das Bundessozialgericht hat mithin die Voraussetzungen für eine Befreiung von der Sozialversicherungspflicht dahingehend eingeschränkt, dass es nicht allein darauf ankommt, weisungsfrei zu arbeiten. Vielmehr muss diese weisungsfreie Tätigkeit auch rechtlich abgesichert sein. Solange die faktische Weisungsfreiheit vom Mehrheitsgesellschafter durch entsprechende Beschlussfassung jederzeit eingeschränkt werden könne, soll keine Weisungsfreiheit vorliegen.
Ausgehend von dem obigen Beispielsfall führt das dazu, dass der seit Jahren faktisch weisungsfrei agierende Geschäftsführer, also Mandant A, letztlich doch weisungsabhängiger Beschäftigter ist, denn seine Mutter könnte jederzeit Mandant A als Geschäftsführer durch Gesellschafterbeschluss mit 51 % anweisen und Einfluss auf die Gesellschaft nehmen, und zwar ohne dass Mandant A hiergegen etwas unternehmen könnte.
Es kommt damit letztlich auf die Höhe der Beteiligung an, denn letztlich kann der Mehrheitsgesellschafter durch entsprechende Beschlussfassung immer eine Entscheidung erzwingen und den Geschäftsführer anweisen.
Bei dieser Rechtsprechung gibt es kaum noch Raum für eine kreative Beratung. Denn in der Regel stehen die Mehrheitsverhältnisse zum Zeitpunkt der Beratung bereits unveränderlich fest. Lediglich bei Abfassung eines Gesellschaftsvertrages könnte man entsprechende Vorsicht walten lassen und ggfl. die angedachte Weisungsfreiheit des Geschäftsführers bei Abfassung der Satzung berücksichtigen. Liegt, wie so oft, der Abschluss des Gesellschaftsvertrages Jahre und Jahrzehnte zurück, wird es schwierig, der Weisungsgebundenheit des Geschäftsführers gegenüber dem Mehrheitsgesellschafter irgendetwas entgegenzusetzen. In Betracht kommt nur eine Regelung, die die Weisungsgebundenheit entkräften könnte.